Montag, 15. August 2011

1.Teil: Die GANZE Geschichte vom SPARTACUS International Gay Guide, von seinem Gründer John D. Stamford und wie Bruno Gmünder das Schnäppchen seines Lebens machte.


Das Bild zeigt Bruno Gmünder und John D. Stamford, irgendwann zwischen Ende November und Anfang Dezember 1986, bei der Vertragsunterzeichnung in Sachen „Übernahme des Spartacus“ durch den Bruno Gmünder Verlag. Ohne die Goldmine 'Spartacus', so ehemalige Verlagsmitarbeiter, hätte der Bruno Gmünder Verlag niemals jene Grösse und führende Position unter den schwulen Verlagen erlangt.

     Die Geschichte des 'Spartacus Gay Guide' wurde bisher nicht geschrieben. Das hat Gründe, die hier beschrieben und dokumentiert werden. Dabei ist sie (sogar nur von 1970-1987) spannend, turbulent und so umfangreich, dass sie einen einzelnen Blog-Eintrag sprengen würde. Deshalb veröffentlicht brunoleaks die Geschichte und die Hintergründe in mehreren hintereinander folgenden Teilen.
   Da schon während der Recherchen immer wieder neue und sogar gegenteilige Fakten auftauchten, aber auch nachträglich ergänzende Kenntnisse und Erkenntnisse von Insidern eingingen und sicherlich noch eingehen werden (z.B. von Lesern), sei an dieser Stelle daran erinnert, dass Einträge in diesem Blog grundsätzlich auch ergänzt, selbstverständlich richtig gestellt, korrigiert oder gekürzt werden können.
   Das hier auftauchende Dauer-Thema ‘Pädophilie’ dient nur einem Zweck, nämlich zur Erläuterung der ‘Spartacus’-Fakten und -Hintergründe.
   Im übrigen erhebt auch dieser Blog-Beitrag weder Anspruch auf Allwissenheit, noch auf Vollständigkeit.
   Interessenten stellen wir gerne Artikel-Kopien in hoher Auflösung zur Verfügung, z.B. wenn Textabbildungen hier nur ungenügend lesbar sind.

Jubiläumausgabe: Der 25. Spartacus International Guide 1996/97
Der folgende Artikel erschien im März 1996 in MÄNNER, "Deutschlands schwule Illustrierte Nr.1", vom Bruno Gmünder Verlag.


Ein erstaunlich konsequenter Artikel, denn der Verfasser hat die ‘Spartacus’-Vergangenheit konsequent ausgeblendet:

1. den "Erfinder" und Erst-Herausgeber des Reiseführers
2. dass der Erstverleger 15 Folgen produziert hatte, während
3. im Bruno Gmünder Verlag erst 10 der 25 Ausgaben erschienen waren und vor allem
4. die dramatische Geschichte, die zur Übernahme des ‘Spartacus’ durch Bruno Gmünder führte.

Es handelte sich also um einen Jubiläumsartikel, bar aller Fakten über den Jubilar. Warum? Auch dieser Frage wird brunoleaks in den folgenden Eintragungen nachgehen.

Wer war John D. Stamford? Eine unvollkommene Einführung in ein schillerndes Leben.

1968  soll der 29-jährige, schon damals offen schwul lebende Brite John D. Stamford, begonnen haben Daten für ein schwules Reiseführerprojekt zu sammeln (nach ‘Wikipedia’).Ob seine sexuelle Orientierung mit "schwul" richtig angegeben ist darf bezweifelt werden. Stamford wird von Kennern, wie auch in schwulen und nicht-schwulen Veröffentlichungen immer wieder als Päderast bzw. Pädophiler bezeichnet. Auch Teenager und Twens hat John nicht verachtet - hauptsächlich frisch und jung. Jedenfalls durchzieht das Thema Pädophilie seinen ganzen (soweit bekannten) Lebensweg.

Vor Herausgabe seines ersten 'Spartacus Gay Guide' ist über den 1939 in Lancashire geborenen Zwilling (bislang) bekannt ... dass sein „Arbeitsweg“ als katholischer Priester in Brighton begann ... dass er als Lehrer an einer katholischen Sonntagsschule in Lancashire unterrichtet hat ... im (schwulen) Brighton ein Gästehaus betrieb und sich u.a. damit brüstete, die ersten schwulen Pornohefte in Grossbritannien produziert zu haben. 1967, 28jährig, begann er mit der Herausgabe des 'Spartacus Magazine'. Vor seiner ‘Flucht’ aus England nach Amsterdam fuhr Stamford (nach eigenen Aussagen) bereits einen Rolls Royce.

Peter Thommen, ARCADOS Buchladen Basel, am 15.07.2011: "... Stamford ... hatte die Attitüde, sich jeglicher staatlichen Adminstration zu entziehen (Bußen, Steuern, etc.). ... Er lebte meist in seinem Wohnwagen und reiste damit - wie ein Fahrender - um die Welt. Einmal ist er in Süddeutschland an der Grenze angehalten worden, weil sein asiatischer Liebhaber kein Visum hatte. Auch wurde dieser als minderjährig eingestuft, weil er so jung aussah. Das löste sich aber wieder auf. Stamford beklagte sich ständig über Rassismus, er berücksichtigte wohl nicht die europäische Bürokratie mit den vielen Ein- und Ausreiseregeln. Erst spät hat er sich in Amsterdam richtig etabliert. Wenn Stamford jährlich auftauchte, um das Geld für die Inserate der nächsten Ausgaben in bar mitzunehmen, hatte man immer das Gefühl, man hätte eigentlich einen roten Teppich ausrollen sollen! Ich habe für ihn mal den ganzen Abschnitt über die Schweiz bearbeitet, weil es darin viele Fehler in der cruising Szene gegeben hatte. U.A. fanden sich viele Telefonnummern von Telefonkabinen, die aber oft unkorrekt waren und zu bürgerlichen Leuten gehörten, die sich dadurch nächtlich belästigt fühlten. Stamford war ein echter Urwaldforscher, was das Gayleben in der Welt betraf! ..."
(weitere Ausführungen von Peter Thommen später)

Der Verfasser folgender Zeilen ist brunoleaks bekannt, am 18.07.2011: " ... Mit Stamford musste ich mal Essen gehen. Ein zynischer Zeitgenosse mit bösem englischem Humor.  Der konnte nicht mit Geld umgehen und  die beiden [Bruno Gmünder und Christian von Maltzahn] haben ihm für einen Appel und ein Ei aus der Patsche geholfen. Wäre der Spartacus nicht gewesen, wäre der [Bruno Gmünder] Verlag eine Klitsche geblieben --- am Jahresende 1983 war ja die Pleite mit TORSO. Glück dem Tüchtigen... " 
Ergänzung des Archivars: Dank der ersten sprudelnden Einnahmen aus dem 1987er ‘Spartacus’, konnte der Bruno Gmünder Verlag das am Jahresende 1987 erscheinende (damals) Softporno-Magazin MÄNNER finanzieren.

John D. Stamford schreibt über John D. Stamford, im 'Spartacus' 1975, Seite 12:
John D. Stamford wurde wenige Monate vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs unter dem ‘Gemini’-Zeichen (Zwilling) geboren. Er stammt aus Lancashire und hat viel durchgemacht, bevor er 1968 den 'Spartacus' begründen konnte. Er spielte eine Rolle in der Kampagne für die Gesetzesänderung in Grossbritannien (1967). Zuvor musste er aber sämtliche Stufen eines ‘Bekenntnis in der Öffentlichkeit’ mitmachen. 1968 fasste er den Entschluss zum ‘Spartacus’ und gründete eine kleine Firma in Brighton, England, die zunächst eine monatliche Zeitschrift ‘Spartacus’ und kurz danach den ersten internationalen Gay Guide herausgab. Die Firma konnte sich unbehindert ausbreiten, bis Ende 1971, als sie aus verschiedenen, unkontrollierbaren Gründen aufgelöst werden musste. Ein neues Büro ist in Amsterdam eröffnet worden, wo sich die Homosexuellen freier bewegen können als in England, wo sie immer noch gesetzlicher Verfolgung und Strafmassnahmen ausgesetzt sind. Im Laufe seiner Arbeit an den jährlichen Neuausgaben des Guide, sowie an anderen Publikationen, hat John fast die ganze Welt bereist.
Neben seiner Tätigkeit innerhalb ‘Spartacus’ und der homophilen Gemeinschaft, hat er sich eine tiefe persönliche Philosophie und Geistigkeit ausgearbeitet, die im erheblichen Mass für den Erfolg des ‘Spartacus’ und des ‘Gay Guide’ verantwortlich ist. Sein Leben ist ausschliesslich seiner Arbeit gewidmet und jetzt, da der ‘Spartacus’  wieder festen Fuss gefasst hat, ist er seinen Verpflichtungen, für die anderen zu sorgen, völlig zugetan. Seine Pläne für die Zukunft, in seinen eigenen Worten: ‘Lieben, immer mehr lieben, und damit zur Begründung einer besseren Welt, besonders für Homosexuelle, beizutragen.’ (Die holprige deutsche Übersetzung im ‘Spartacus’ haben wir etwas ‘geglättet’.)

Dazu ein paar Randbemerkungen: # Der ansonsten viel plappernde und schreibende Stamford hat sich später über seine ersten 29 Lebensjahre komplett ausgeschwiegen. # Zeitschrift: Noch das 27. 'Spartacus Magazine' (1972) war nur ein knapp DIN A5 grosses Heftchen. # Die „verschiedenen unkontrollierbaren Gründe“ sind ebenso delikat wie bekannt. Etwa ab 1975 hat Stamford auch darüber Schweigen ausgebreitet. # Bei den „anderen“, hier nicht genannten Publikationen, handelte es sich neben dem 'Spartacus Magazine' um Pornohefte und Lesestoff für Knabenliebhaber. # Die Aussage „seinen Verpflichtungen für andere zu sorgen“ gehört zu jenen zahlreichen Floskeln, mit denen sich Stamford permanent als engagierter Kämpfer für die Emanzipation und die Rechte Homosexueller produzierte.

1967  begann John D. Stamford mit der Herausgabe des schwulen Magazins) SPARTACUS Britains leading gay monthly magazine (!!!) - JDS Publications, 46 Preston Street, Brighton (JDS = John D. Stamford) - ein dünnes, schwarz-weiss gedrucktes


Heftchen im Format von knapp DIN A5. Noch im Jahr 1972, hier die Titelseite der Nr. 27, erschien der Name Stamford nicht im Heft. Der Nr. 27 lag dieser Bestellschein für den neuen 'Spartacus Gay Guide' bei. Die 3. Ausgabe kostete £ 1.75 [das entsprach damals 14,- DM]


Fortsetzung (anklicken) 2. Teil 1970-1983